Fromage, Fromage

Von Renate Brämer

Es sind nur noch wenige Kilometer bis zur spanischen Grenze, es ist früher Sonntagabend, und unser Wohnmobilkühlschrank ist ganz schön leer. Schwer zu sagen, ob wir jenseits des Somportpasses noch einen offenen Laden finden. Zumal unser Ziel, das nur durch seinen monumentalen internationalen Bahnhof bekannte Örtchen Canfranc-Estación, nicht einmal 700 Einwohner hat und deshalb wohl auch nur eine überschaubare Geschäftswelt, mit eingeschränkten Öffnungszeiten am Tag des Herrn.

Lecker, diesmal jedoch nicht gerade billig: Käse aus den französischen Pyrenäen.Da kommt uns der Stand am Straßenrand noch auf der französischen Seite der Pyrenäen wie gerufen, der auf einem Schild für Käse vom Bauernhof wirbt. Zumindest für das Abendessen lässt sich unser Versorgungsengpass hier offensichtlich beheben. Den Mann hinter dem Verkaufstresen freut es ebenfalls, dass wir abrupt auf die Bremse treten. Jetzt, wo bereits die Dämmerung aufzieht, hat er wohl kaum mehr mit Kunden gerechnet.

Schon führe ich das erste Bröckchen Käse zum Mund, das er mir zum Probieren reicht. „Brebis”, erklärt er eifrig:  Die Grundlage dieses fromage stammt ausschließlich vom Schaf. Der „mixte”, den er mir als nächstes zur Kostprobe empfiehlt, enthält dagegen zusätzlich Milch von der Kuh, erfahre ich. Nach angeregter Unterhaltung über die jeweiligen Vorzüge fällt mir die Entscheidung nicht schwer. Ich nehme ein Stück von jeder Sorte.

Der Händler packt meinen Kauf sorgsam ein und rechnet dann laut vor, was ich zu zahlen habe. Ganz schön teuer, denke ich als erstes. Und als zweites, dass Qualität nun mal ihren Preis hat in dem Land, das angeblich so viele Käsesorten wie das Jahr Tage hat.  

Wenig später genieße ich die gelungene Liaison aus Baguette, Rotwein und Käse jedoch sehr - bis mein Blick auf das Einwickelpapier des fromage mixte fällt. Mein braver Verkäufer hat es mir sogar schriftlich gegeben: 3,90 Euro plus 3,45 Euro, das macht 9,35 Euro. Und das habe ich ohne Widerspruch abgesegnet, die Summe sang- und klanglos bezahlt? Warum kann dieser Mann bloß so schlecht rechnen? Und warum ich selbst?

Und wenn es gar kein Rechenfehler war? Dann war’s ein ziemlich gut gelungener Zaubertrick: Das Publikum, in diesem Fall ganz allein ich, ist so fixiert auf das Unwesentliche, dass es nicht bemerkt, wie das Kaninchen in den Zylinder kommt - oder, dass die Rechnung nicht aufgeht.

Lange zerbreche ich mir darüber aber nicht den Kopf. Der Käse schmeckt mir einfach zu gut. Die zwei Euro, die ich zu viel bezahlt habe, ordne ich nun anders ein. Als Solidaritätszuschlag zur Anhebung niedriger ländlicher Einkommen en France.

Siehe auch: Dornröschen zwischen rostigen Schienen (Reiseberichte Spanien)