Wie es raschelt im Blattwerk, das gar nicht zur Ruhe kommt, immer wieder erzittert durch die auf- und abschnellenden Zweige: Kleine braune Körper huschen hin und her – und nach einem eleganten Sprung thront ein winziges Äffchen hoch über unseren Köpfen auf der Strickleiter, die den buschgesäumten Weg überspannt. „Die hüpfen ja wie Eichhörnchen“, ruft ein junger Besucher überrascht.
Und hat mit der Assoziation ganz recht: Eichhörnchenaffen werden diese zierlichen Saïmiri auch genannt, die aus Südamerika stammen und hervorragende Insektenjäger sind.
Sie gehören zu den rund 30 Arten
von Primaten, die im Vallée des
Singes im Südwesten Frankreichs
gehegt und gepflegt werden. Der
ungewöhnliche Tierpark, der vor zehn
Jahren nach einem Vorbild in
Holland in der Nähe von Poitiers
gegründet wurde, bringt Mensch und
Tier einander so nahe wie möglich:
Trennende Gitter und Käfigstäbe gibt
es auf dem 15 Hektar großen Gelände
nicht. Damit nicht einer der Affen
oder Halbaffen den Besuchern den
Proviant stibitzt, ermahnen Schilder
dazu, alles Essbare tunlichst im
Rucksack oder der Tasche zu lassen.
Nur Großaffen wie Schimpansen und
Gorillas werden aus
Sicherheitsgründen durch breite
Wassergräben von den Parkbesuchern
ferngehalten.
Keines der rund 350 im Affental lebenden Tiere wurde in der Natur gefangen – das gehört zum Konzept des Parks, der sich dem Arten- und Naturschutz verschrieben hat. Zu den besonders bedrohten Affenarten, die erst in diesem Jahr dort Einzug hielten, gehören die silberfarbenen Seidenäffchen aus Brasilien. Nur 30 Zentimeter messen die Äffchen mit dem rosigen Gesicht, die nicht mehr als 1300 Gramm auf die Waage bringen. Gegenüber den Pygmäenseidenäffchen wirken sie allerdings riesig: Diese sind die kleinsten Affen der Welt, ihre Babys wiegen bei der Geburt knapp 15 Gramm – soviel wie eine Erbse. Auch der Kronenmaki hat vor kurzem in dem Tal einen geschützten Lebensraum gefunden. Die von Madagaskar stammende Lemurenart ist in der Natur extrem bedroht.
Mehr als 300 Geburten hat der
besondere Tierpark in den zehn
Jahren seines Bestehens verzeichnet.
Indem er sich intensiv an
Europäischen
Erhaltungszuchtprogrammen beteiligt,
trägt er zur Erhaltung bedrohter
Arten bei. Auch Toùni, der jüngste
der Gorillas, wurde vor einem Jahr
in dem Tal geboren. Es beherbergt
mit elf Tieren die größte
Gorillagruppe Frankreichs, die sich
um ihr 25 Jahre altes
Silberrückenmännchen schart. Der
immerhin 220 Kilogramm schwere
„Chef“ der Gruppe, die eine
durch einen Wassergraben
abgetrennte Insel bewohnt,
baut sich täglich von neuem
sein Schlafnest aus Zweigen und
Blättern auf dem Boden. Viele Äste
der Bäume, in denen die Weibchen und
Jungtiere die Nacht verbringen,
würden seinem Gewicht gar nicht
standhalten.
Hoch in den Baumwipfeln schwingen sich auch die Colobus-Affen mit unnachahmlicher Eleganz von Halt zu Halt, ihr pferdeschweifähnlicher Schwanz weht wie eine Schleppe hinterher. Auf einer weiteren Insel sind gerade die Schimpansen dabei, mit Geschick ihr Essen zu ergattern. Die menschliche Schar, die bei der Fütterung zuschaut, erfährt gleichzeitig viel über ihre Lebensbedingungen, ihr Vorkommen und ihre Gefährdung in der Natur. „Menschen und Schimpansen haben zu 98 Prozent das gleiche Erbgut“, erklärt Magaly Degeorge den Besuchern.
Schwungvoll wirft die Tierpflegerin
den zehn Schimpansen, die aus einem
holländischen Forschungslabor
stammen, dem Schicksal als Testtiere
jedoch entgangen sind,
Chikoréestangen und Früchte zu. Das
Versorgen der großen Affen ist
aufwendig, mit einer großen Mahlzeit
pro Tag ist es nicht getan.
Stattdessen bekommen die Schimpansen
vier Mal jeweils eine kleine
Portion, um die
Ernährungsbedingungen in der Natur
so gut wie möglich zu imitieren.
„Dort fressen sie schließlich den
ganzen Tag über“, betont Degeorge.
Die junge Frau, die seit 2001 zum festen Mitarbeiterstamm des Parks gehört, schildert auch, wie sich die Hierarchie in der Tiergruppe und ihr Zusammenleben gestaltet. Und dass Schimpansen Gesellschaft brauchen, um nicht autistisch zu werden. Kritische Worte findet sie für den Missbrauch der so menschenähnlich wirkenden und deshalb in Film und Werbung beliebten Affen: „Erwachsene Tiere lassen sich das gar nicht gefallen, deshalb werden immer Jungtiere eingesetzt.“ Denn die Mimik der Tiere wird von den unwissenden Betrachtern völlig missgedeutet: Angst ist es, was das vermeintliche Lachen der Schimpansen mit gefletschten Zähnen in Wirklichkeit widerspiegelt.
„Catta! Catta! Cattaaa!“ erschallt
es am frühen Abend vor einem der
Schlafhäuser im Affental. Doch nicht
ein einzelnes Tier mit diesem
Rufnamen, sondern gleich eine ganze
Schar befolgt den Ruf des
Tierpflegers und reiht sich
possierlich auf dem Holzgatter auf:
Es handelt sich um die Lemurenart
Maki Catta, die durch schwarz-weiß
geringelte Schwänze und ein graues
Fell auffällt.
Mit dem Affental hat das Département Vienne einen zweiten großen Besuchermagnet bekommen: Vor seiner Gründung lockten vor allem der Freizeitpark Futuroscope, der Themen der Wissenschaft und Zukunft anschaulich vermitteln will, und die Stadt Poitiers selbst Touristen in die Gegend. Mehr als 1,5 Millionen Besucher haben inzwischen die faszinierenden Tiere des Parks besser kennengelernt.
Wer bis kurz vor der Schließung ausharrt, wenn die meisten schon zum Ausgang strömen, kann sich bei geschlossenen Augen sogar ein wenig die Welt des Dschungels vorstellen: Dann grunzt und schnattert es, knurrt und wimmert überall geheimnisvoll im Gebüsch.
Informationen
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Fax:
05 49 87 63 38
Email:
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Atout France - Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 100128, 60001 Frankfurt am Main, [email protected]
Internet
Anreise
Das Affental Vallée des Singes befindet sich bei dem Örtchen Romagne südlich von Poitiers.
- Mit der Bahn ist Poitiers per TGV erreichbar, unter anderem von Paris aus.
- Mit dem Auto führt der Weg über die Autobahn A10 und die Nationalstraße 10.
- Vom Flughafen Poitiers-Biard aus gibt es Verbindungen über den Flughafen Lyon zu mehreren deutschen Städten.