Tausende Arme recken sich empor, und ein Meer roter Tücher wogt über dem völlig überfüllten Rathausplatz von Pamplona. Punkt zwölf Uhr Mittags ist es endlich soweit: Vom Balkon im zweiten Stock des Rathauses wird „el Chupinazo“ abgefeuert. Die Rakete gibt den Startschuss für die große Fiesta, die die nordspanische Stadt weltweit bekannt gemacht hat. „Viva San Fermín!“ ruft die entfesselte Menge immer wieder.
Schon Monate zuvor fiebert die
ganze Stadt dem Fest entgegen, das
am 6. Juli beginnt. Es verknüpft die
religiösen Feierlichkeiten zu Ehren
des Heiligen San Fermín, des ersten
Bischofs von Pamplona, mit einer
Viehzuchtmesse
– und vor
allem mit täglichen Stierkämpfen.
Das Schauspiel, das dem Finale in der Arena vorausgeht, ist äußerst gefährlich: Besonders junge Männer fühlen sich herausgefordert, bei el Encierro, dem Stierlauf, mitzumachen, Waghalsige rennen ein Stück weit mit den bis zu 800 Kilogramm schweren Kampfstieren, die auf einer 850 Meter langen Strecke innerhalb weniger Minuten bis zur Arena stürmen.
Dicht aneinandergepresst sehen die Zuschauer an den Straßen Santo Domingo, Calle de los Mercaderes und Calle de la Estafeta Spalier, um das umstrittene Spektakel aus nächster Nähe zu sehen.Der Rat an Neulinge, die sich auf ein kurzes Wettrennen mit den aggressiven schwarzen Kolossen aus Andalusien einlassen, ist wenig beruhigend: „Wenn Du stürzt, musst Du einfach liegen bleiben – es ist besser, dass sechs Stiere über dich hinwegtrampeln als dass dich einer aufspießt“, sagt Fremdenführerin Gudrun Pelz, die seit Jahren in Pamplona lebt. Hunderte Verletzte fordert der Stierlauf Jahr für Jahr, mehr als ein Dutzend Menschen haben die Teilnahme bereits mit ihrem Leben bezahlt.
Ein besonders leidenschaftlicher
Fan der Stierkämpfe war Ernest
Hemingway. Don Rafael Moreno,
Chef des Gran Hotels La Perla,
präsentiert Zimmer 201 immer wieder
mit besonderem Stolz: In dem Raum im
zweiten Stock der Nobelherberge, der
vor der jüngsten Hotelsanierung noch
die Nummer 217 trug, hat der
Schriftsteller gewohnt – und
nichts ist seitdem am Mobilar
verändert worden. Neun Mal war der
Amerikaner zur großen Fiesta mach
Pamplona gereist und regelmäßig im
La Perla abgestiegen.1923 stieß
Hemingway erstmals auf das Gebäude
an der Plaza del Castillo in der
Stadtmitte, als er mit seiner
schwangeren Frau eine Bleibe suchte.
Das Hotel war im Juli zwar
ausgebucht, half jedoch bei der
Suche nach einer anderen Unterkunft.
Hemingway versprach im Gegenzug, bei
weiteren Besuchen im La Perla
Quartier zu beziehen.
Der spätere Nobelpreisträger hielt
Wort und verschaffte zudem Pamplona,
der Hauptstadt des einstigen
Königreichs Navarra, eine ungeahnte
Popularität. In seinem Buch „Fiesta“
schilderte er 1926 die
unvergleichliche Atmosphäre während
des San-Fermín-Festes. Hohes
Ansehen genießt Hemingway in der
Stadt bis heute. Eine Büste vor der
Stierkampfarena erinnert an ihn,
Bodegas schmücken sich mit seinem
Namen und das Café Iruña, wo er
Stammgast war, weist natürlich auch
auf den berühmten Besucher hin. Am
14. Juli endet die Fiesta –
und damit für Pamplona, das im
Jahr 75 vor Christus von dem
römischen Feldherrn Pompeius
gegründet wurde, der
Ausnahmezustand.
Danach geht es in der Stadt mit
heute knapp 250 000 Einwohnern
wieder beschaulich zu. Doch nicht
nur Touristen schlendern durch die
guterhaltene Altstadt, wandern an
der zu drei Vierteln erhaltenen
Stadtmauer entlang, besuchen die
alten Kirchen und Paläste sowie das
einst als Krankenhaus erbaute Museum
von Navarra und den ausgedehnten
Grüngürtel bei der Zitadelle. Vor
der im 14. und 15. Jahrhundert
erbauten Kathedrale Santa María am
höchsten Punkt der Stadt machen
immer wieder Pilger halt,
ausgerüstet mit Stab und Rucksack,
vom dem eine Jakobsmuschel
baumelt.
Wie das Ehepaar aus Stuttgart, das seit drei Tagen unterwegs ist, und der 20-jährige Matthias aus Nürnberg, der vor seinem Studienbeginn den berühmten Camino abgehen will. Seitdem der Entertainer Hape Kerkeling sein Buch „Ich bin dann mal weg“ veröffentlicht hat, zieht es noch mehr Wallfahrer auf den Jakobsweg als zuvor. Die wichtigste Route führt von Frankreich und den Pyrenäen aus durch ganz Navarra. Gleich hinter der Grenze wartet die Pilgerraststätte in Roncesvalles auf die müden Wanderer – mit Schlafsälen voller Stockbetten, die Kerkeling schaudernd ins Hotel getrieben haben.
Weitere Stationen nach Pamplona
sind die romanische Wallfahrtskirche
von Eunate mit ihrem achteckigen
Grundriss. Wie eine Oase der Ruhe
erhebt sie sich in der Landschaft.
In Puente La Reina kommen zwei
Pilgerwege zusammen, von nun an
führt über die kunstvoll gewölbte
alte Brücke aus dem 11. Jahrhundert
nur noch eine Route nach Santiago de
Compostela. Jenseits der Pilgerpiste
ist ein Ausflug nach Olite mitten in
Navarra lohnend: Über der
pittoresken Kleinstadt erhebt sich
ihr gut erhaltener
Königspalast mit wuchtigen Mauern
und zahlreichen Türmen. Der
bedeutende gotische Bau ist schon
seit 1925 Nationaldenkmal.
Die autonome Region Navarra, in der neben Spanisch auch Baskisch gesprochen wird, ist jedoch auch für Naturfreunde ein reizvolles Ziel voller Vielfalt. Fast noch im Dornröschenschlaf liegt der größte Buchen- und Fichtenwald Europas, der Wald von Irati, im Norden. Der wüstenähnliche Naturpark Bardenas Reales im Süden, der schon Kulisse für James-Bond-Filme war, ist mit bizarr geformten Erosionsformationen überzogen. Eine weitere Facette bietet das grüne Baztan-Tal im Pyrenäenvorland mit einer reichen Tierwelt. In so mancher Dorfkneipe dort war auch Hemingway schon – zum Krafttanken vor und nach der Fiesta in Pamplona.
Informationen
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Abteilung Kultur und
Tourismus
Institut Principe de Viana
C/Navarrería 39, 2a planta
31001 Pamplona (Navarra)
Tel. (00 34) 848 42 04 20 -
Spanisches
Fremdenverkehrsamt
Kurfürstendamm 63
10707 Berlin
Tel. (0 30) 88 26-0 oder (0 61 23) 9 91 34
Internet
Anreise
Der Flughafen Noain südlich von Pamplona bietet nur Inlandsflüge an. Er ist über Madrid, Bilbao oder Barcelona erreichbar.