Blick auf die Handelskade: Curaçaos Hauptstadt Willemstad zeigt sich von ihrer schönsten Seite.

Korallen, Kolibris und Kadushi

Eine lebhafte Unterwasserwelt lockt vor einem intakten Korallenriff: Curaçao gilt als Paradies für Taucher. Doch die Karibikinsel vor der Küste Venezuelas hat auch denen viel zu bieten, die den Kopf lieber über Wasser behalten. Ein Streifzug.

Von Renate Brämer

 

Öffnet sich für Schiffe wie ein Tor: Die Queen-Emma-Bridge tut schon länger als 100 Jahre ihren Dienst.Größer könnte der Kontrast zum deutschen Schmuddelwetter und der tristen Winterkleidung in Schwarz und Grau, die wir erst vor wenigen Stunden abgelegt haben, kaum sein. Kunterbunt präsentieren sich uns die Prachtbauten der Handelskade, ganz so, als hätte ein Kind beim Malen die komplette Palette seiner Farbstifte erprobt. Die Promenade am Meeresarm Sint Annabaai ist die wohl schönste Ansicht von Curaçaos Hauptstadt Willemstad, deren Altstadt seit 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Langsam schlendern wir über die Queen Emma Bridge, die die Stadtteile Punda und Otrabanda verbindet, auf die historischen Gebäude zu. Die einzigartige, auf Booten lagernde Pontonbrücke unter unseren Füßen ist selbst eine Sehenswürdigkeit: Mehrmals am Tag schwenkt sie weit zur Seite, um nahenden Schiffen die Passage zu ermöglichen. Wir gelangen über die „Swinging old lady”, so ihr Spitzname, jedoch ohne Verzögerung durch das spannende Schauspiel ans Ufer – und sind umgeben von holländischem Flair.

Die schmucken Häuser, die wohlhabende holländische Kaufleute errichtet haben, prägen noch immer das Gesicht der Stadt, auch wenn Curaçao die Zeit als niederländische Kolonie, die im 17. Jahrhundert begann, längst hinter sich gelassen hat. Seit dem Ausscheiden aus dem Verband der Niederländischen Antillen im Oktober 2010 ist die nur 444 Quadratkilometer große Karibikinsel ein unabhängiger Landesteil innerhalb des Königreichs der Niederlande. Daran erinnert nicht nur die Architektur. Niederländisch hören wir auch im Stimmengewirr der Passanten immer wieder heraus. Es ist auf Curaçao Amtssprache wie auch die Kreolsprache Papiamentu, in der sich vielfältige europäische sowie einige afrikanische Sprachelemente mischen.

Gemüse, Obst und auch Fisch aus Venezuela: Der schwimmende Markt, dessen Händler mit Booten kommen,  ist eine Attraktion.Geografisch jedoch ist Curaçao der Küste Südamerikas ganz nahe. Das lässt besonders der so genannte schwimmende Markt erkennen, auf den wir nach wenigen Gehminuten stoßen. Händler aus dem nur 60 Kilometer entfernten Venezuela legen dort mit ihren Booten an, um auf der kargen Insel Obst und Gemüse, aber auch Fisch zu verkaufen. Grüne Kochbananen liegen neben reifen Melonen und Papaya, dicke, uns unbekannte Knollen türmen sich an den Ständen neben erntefrischen Kokosnüssen. Ein Teil dieses Angebots begegnet uns bald darauf in der ehemaligen Markthalle Plasa Bieu wieder – auf unseren Tellern. In dem von außen wenig ansehnlichen grünen Zweckbau, in dem heute mehrere Garküchen angesiedelt sind, treffen sich Einheimische wie auch Touristen zum sehr erschwinglichen Mittagsmahl. Die Atmosphäre ist locker, geblümte Wachstuchdecken schützen die langen Tische, und die Speisekarte ist begrenzt auf lokale Gerichte und Spezialitäten.

Die Plasa Bieu: In der einstigen Markthalle gibt es deftige einheimische Gerichte in rustikalem Ambiente.Diesmal steht auch Okra-Suppe darauf. Vielleicht wollten wir die lieber erst mal probieren? schlägt die Bedienung vorsorglich vor. Sie bringt eine kleine Schüssel herbei, aus der wir reihum eine Kostprobe nehmen. Und dann nahezu einhellig beschließen: Nein, diese schleimige Brühe kommt uns trotz der darin versenkten leckeren Fleischstückchen kein zweites Mal auf den Löffel. Nur die Jüngste in unserer Runde, beim Essen gewöhnlich ein pickender Spatz, sieht das anders. Zu unserer Überraschung leert die Vierjährige flink die ganze Schale. Wir anderen halten uns lieber an die anderen Gerichte. Neben gegrilltem Fisch mit braunem Reis und Bohnen wird ein kräftiger Eintopf mit Rindfleisch serviert, ebenso gibt es gebackene Papaya und ein köstliches Gericht mit Hühnchen. Wäre es ein Samstag, könnten wir auch die Kaktussuppe Kadushi kennenlernen, die fast als Curaçaos Nationalgericht gilt. Die soll aber noch glibberiger sein als die Okra-Suppe, weshalb uns der Verzicht nicht schmerzt.

Faszinierende Echsen: Die Leguane sind auch in den Straßen der Hauptstadt ein alltäglicher Anblick.Auch eine Leguansuppe vermissen wir nicht. Die Echsen, die ebenfalls oft in einheimischen Kochtöpfen landen, sind auf der Insel fast allgegenwärtig. Mal ruhen sie sich träge in den Kronen der Palmen aus, mal gleiten sie lässig durch Gärten und Grünanlagen. In Willemstadt, wo mehr als zwei Drittel der etwa 150 000 Einwohner Curaçaos leben, begegnen sie uns zunächst in einer Einkaufsstraße. Der Besitzer zweier eindrucksvoller Exemplare verdingt sie als tierische Fotomodelle an Touristen. Wie mich. Ich lasse mich von meinen Begleitern zum Shooting mit den jeweils gut einen Meter langen Echsen überreden. Nichts ist unangenehm daran, die faszinierenden Tiere mit dem Kamm auf dem Rücken zu berühren. Still sitzen sie wie kleine Drachen zunächst auf meiner Hand und dann auf meinen Schultern. Etwas Archaisches haftet den Leguanen an, wie sie gleichmütig, fast ohne zu blinzeln, aus kleinen Augen ihre Umgebung mustern.

Rif Fort: Die alte Festung beherbergt heute etliche Geschäfte und Restaurants. Auch den berühmten Likör Blue Curaçao gibt es hier.Willemstads Zentrum ist nicht groß. Auch mit Kindern lässt es sich gut zu Fuß erkunden. Auf Curaçaos ältestes Gebäude, das Fort Amsterdam, stoßen wir hier im Altstadtviertel Punda an der Hafeneinfahrt. Die Festungsanlage, die die Niederländische Westindien-Kompagnie ab 1634 erbauen ließ, ist heute der Regierungssitz der Insel. Gegenüber zieht auf der anderen Seite der Sint Annabaai im Stadtteil Otrabanda Rif Fort die Blicke auf sich. Dieses historische Gemäuer beherbergt mittlerweile zahlreiche Geschäfte und Restaurants. Wir wollen in einem der Läden ein paar Fläschchen Blue Curaçao kaufen, jenen für Cocktails verwendeten Bitterorangenlikör, dessen Namen man in Europa am ehesten mit der Insel verknüpft. Diesmal sind die Mini-Flaschen mit blauem Inhalt aber nicht mehr zu haben. Ein Kreuzfahrtschiff liegt vor Anker, und dessen Passagiere waren offensichtlich schneller als wir. Noch vorrätig sind die Likörchen jedoch in Rot, Gelb, Grün und völlig farblos. Die sind aber genauso „echt”: Auch das vermeintliche Original verdankt sein intensives Blau schließlich nur schlichter Lebensmittelfarbe.

Menschen aller Hautfarben und aus vielen Nationen flanieren durch den Gebäudekomplex und an den Schaufenstern vorbei, essen ein Eis oder setzen sich zu einem erfrischenden Getränk an einem der Tischchen nieder. Ein entspanntes Multi-Kulti-Miteinander, so scheint es.

Eiserne Fesseln: Das anthropologische Museum erinnert an die grausame Behandlung der aus Afrika in die Sklaverei verschleppten Menschen.Das war nicht immer so. Man muss nicht weit gehen, um auf das anthropologische Museum Kura Hulanda in einem sorgsam restaurierten historischen Viertel zu stoßen. Es zeichnet mit einer eigenen Abteilung auch das düstere Kapitel von Curaçaos Geschichte nach. Die Insel war einst ein Hauptumschlagplatz für den transatlantischen Sklavenhandel. Welchen Misshandlungen die aus Afrika verschleppten Menschen, die die Mühsal der dreimonatigen Überfahrt überlebt hatten, auf den vielen Plantagen weiterhin ausgesetzt waren, spiegeln zahlreiche Exponate wider. Beklemmend ist der Blick auf die eisernen Hand- und Fußfesseln, Ketten und Käfige aus dieser Zeit.

Eindrucksvolles Mahnmal: Zur Erinnerung an den großen Sklavenaufstand von 1795 schwenkt eine Faust eine zerbrochene Kette.Erst 1863 endete die Sklaverei in den niederländischen Kolonien. Als Symbol der Befreiung sind auf der Insel eine Reihe von Mahnmalen zu sehen. Zur Erinnerung an den großen Sklavenaufstand von 1795, der am Strand Playa Porto Mari begann, schwenkt eine erhobene Faust eine zerbrochene Kette. Auch wenn die Erhebung blutig niedergeschlagen und ihr Anführer Tula mitsamt seinen Mitstreitern grausam zu Tode gefoltert wurde, leitete sie dennoch das Ende der Sklaverei ein. Jedes Jahr am 17. August wird das auf Curaçao gefeiert.

Heute sind die traumhaft schönen Strände auf der Westseite der Insel wie Cas Abao, die Daaibooibaai und eben auch Playa Porto Mari fest in der Hand der Taucher, Schnorchler und anderen Wasserratten. Überfüllt sind sie nie. Auch jetzt im Januar, noch in der Hochsaison, finden wir überall reichlich Platz. Von Playa Porto Mari aus machen wir auch ein paar kleine Wanderungen. Gut ausgeschildert sind die Wege nicht, doch wenigstens den kurzen Seru Matteo Trail finden wir schnell. Der belohnt uns nach schweißtreibendem, aber kurzem Anstieg auf einen Hügel nicht nur mit einer schönen Aussicht auf die gesamte Bucht: Ein smaragdgrüner Federball schwirrt mehrmals durch eine Baumkrone am Wegesrand, so unglaublich schnell, dass uns kein Foto gelingt. Schon ist der zierliche Kolibri wieder verschwunden.

Einer der Traumstrände auf der Westseite der Insel: Die Daaibooibaai lädt zum Schnorcheln und Tauchen ein.Auf dem nahen Bird Watch Trail, der mehr Einblicke in Curaçaos Vogelwelt verspricht, werden wir dem gefiederten Winzling nicht noch einmal begegnen. Dafür aber dem falkenähnlichen Raubvogel Warawara, der über unseren Köpfen seine Kreise zieht. Und immer wieder den viele Meter hohen Kakteen, die wir uns aufmerksam anschauen. Denn zur berühmten Kadushi-Suppe taugt nur eine ganz besondere Sorte, haben wir erfahren. Eingeweihte wissen: Verwendet wird hierfür ausschließlich ein Kaktus mit der Wuchsform eines Baumes. Erst an der Spitze des Stamms von Cereus repandus gabeln sich die Triebe, wie bei einer Baumkrone.

Karg und rauh: Watamula in Curaçaos äußerstem Nordwesten bietet ein spannendes Naturschauspiel.An der äußersten Nordwestspitze der Insel ist auch von diesem genügsamen Bewuchs nicht mehr viel zu sehen. Hier zeigt sie sich von ihrer rauen Seite, wild klatscht das Meer an die Felsen. Watamula – so heißt der Ort auf Papiamentu in Erinnerung an eine alte Wassermühle – bietet zudem ein ganz besonderes Schauspiel. Gebannt schauen wir in das riesige runde Loch, das sich vor uns im Gestein auftut. Mal schwappt das Wasser darin eher sachte hin und her, dann wieder beginnt es zu brodeln und spritzt urplötzlich wie eine Fontäne nach oben. Doch auch bei dem von Legenden umwobenen  „Auge Curaçaos” herrscht kein Gedränge. Nur wenige Autos parken an der Zufahrt. Und beim Blick auf deren Nummernschilder begegnet uns zu unserer Überraschung unsere erste Ansicht von der Insel wieder: Dort sind die quietschbunten Häuser der Handelkade in Willemstad abgebildet.

siehe auch: Wasserballett beim Schildkröten-Snek

Informationen

Internet


www.curacao.com

Anreise

KLM fliegt zum Beispiel von Frankfurt via Amsterdam in etwa 13 Stunden

Unterkunft


Die Autorin hat im Blue Bay Village bei Familie Hohmeier gewohnt.

www.reisen-curacao.de

Lektüre

Informativ, kompakt und dennoch anekdotenreich ist der Reiseführer "InselTrip Curaçao" von Barbara Ward, erschienen 2016 im Reise Know-How Verlag.

 

 

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