Rauch und Feuer am 5. Januar: Der Ätna wird erstmals im neuen Jahr aktiv.

Feuriges Spektakel über Eis und Schnee

Der mehr als 3300 Meter hohe Ätna ist Siziliens Wahrzeichen und Europas höchster aktiver Vulkan

Von Renate Brämer

Kameras hoch: Der fantastische Anblick des Feuer speienden Vulkans soll unbedingt festgehalten werden.Das Auftauchen aus dem Tiefschlaf braucht ein Weilchen. Es ist erst kurz nach 7 Uhr, und gerade hat jemand ein paar Mal kräftig an die Tür unseres Wohnmobils geklopft. Um was es wohl geht, zu dieser für uns unerfreulich frühen Stunde? Blinzelnd werfe ich einen vorsichtigen Blick durch das einen Spalt breit geöffnete Fenster. Draußen steht eine ältere Frau aus einem der benachbarten Fahrzeuge. „Der Ätna ist ausgebrochen”, ruft sie mir hastig zu, ehe sie wieder entschwindet. Sekunden später stehe ich selbst im Freien, im Schlafanzug, neben anderen, von denen sich mancher auch nur schnell einen Bademantel übergeworfen hat. Und bin jetzt froh, dass mir dank der anderen Camperin das fantastische Schauspiel nicht entgeht, das sie mit uns teilen wollte.

Eruptive Kraft: Die Rauchsäule steigt beim ersten Ausbruch des Jahres fast 5000 Meter hoch in den Himmel.Alle Blicke sind auf die mächtige Rauchwolke gerichtet, die über lodernden Flammen in die Höhe steigt. Wie eine Fahne beugt sie dann der Wind über dem Vulkan, dessen schneebedeckter Gipfel im Licht der ersten Sonnenstrahlen glitzert. Doch auf einer Flanke frisst sich schon ein schmaler Lavastrom durch das Weiß. Einer der Männer in der Runde entdeckt die dunkle Spur  als erster und macht uns alle darauf aufmerksam. Schon seit einer guten Stunde ist der Mongibello – der Berg der Berge oder gute Berg, wie er auf Sizilien seit jeher auch genannt wird – aus der scheinbaren Ruhe der zurückliegenden Tage erwacht.

„Ich habe in der Nacht ein lautes Rumpeln gehört, bald darauf ging es los”, verkündet ein weiterer Bewunderer mit gedämpfter Stimme. Jetzt jedoch raucht und dampft der Berg ganz ohne Getöse, wie einer, der längst nicht mehr schreien muss, um Aufmerksamkeit zu finden und gesehen zu werden. Es ist der 5. Januar, an dem er zum ersten Mal in dem noch jungen Jahr 2012 spuckt und speit, ein wenig davon verrät, welche gewaltigen Kräfte sich in seinem Inneren verbergen.

Blick von der Hafenmole: Der Ätna bildet hinter Giardini Naxos eine eindrucksvolle Kulisse.Nicht nur von dem auf einem Hügel gelegenen Stellplatz für Wohnmobile in Giardini Naxos aus ist Europas höchster aktiver Vulkan hervorragend zu sehen, wenn nicht gerade Nebel sein Haupt verhüllt. Auch beim Gang durch die eher überschaubaren Ausgrabungen des antiken Naxos am Fuß der Anhöhe, der schon 735 v. Chr. gegründeten ersten griechischen Siedlung auf Sizilien, und beim Bummel über die Hafenmole des modernen Badeörtchens ist der rund 3350 Meter hohe Ätna immer gegenwärtig. Er prägt sogar die gesamte Region um Catania, mit dem griechisch-römischen Theater von Taormina als Logenplatz: Von dort hat man einen besonders guten Blick auf den Gipfel, falls das Wetter mitspielt.

(Meistens) ein Logenplatz: Das antike Theater in Taormina bietet bei schönem Wetter eine gute Sicht auf den Ätna.Wir hatten den Ätna, der wie ein Wahrzeichen auf der größten Insel des Mittelmeers in die Höhe ragt, aber auch ganz aus der Nähe sehen wollen. Am Neujahrstag hatten wir uns deshalb mit dem Wohnmobil über enge Straßen in die Höhe geschraubt, vorbei am Städtchen Linguaglossa am Nordhang des Vulkans. Je mehr Kurven wir hinter uns ließen, desto dicker wurden die Schneewehen am Straßenrand. Mancher Autofahrer vor uns stoppte, um sicherheitshalber Schneeketten für die Weiterfahrt aufzuziehen. Nur in langsamem Tempo wagten wir uns noch ein Stück voran, vorbei an Familien, die es in warmen Schneeanzügen und Skistiefeln auf die seitlichen Hänge zog: Die versprachen sizilianischen Winterspaß mit Schneebällen und Schlitten, weitab von den Orangen- und Zitronenhainen im milden Klima unten am Meer.

Vom Flugzeug aus gut zu sehen: Der Gipfel des Vulkans ist nicht nur im Januar von dickem Schnee und Eis bedeckt.Auf einer Höhe von 1990 Metern stellten auch wir den Motor auf einem großen Parkplatz ab. Nichts war bei unserem Besuch von der eruptiven Gewalt zu spüren, mit der der Ätna immer wieder seine Umgebung bedroht. In der Stille entfaltete die bizarre Poesie schwarzer Lavabrocken inmitten eisiger Schneeschichten ihren Reiz. Dahinter schimmerte in der Ferne das Meer, und Spaziergänger stapften gemächlich durch die ausgedehnte friedliche Winterlandschaft.

Doch der Ätna, einer der aktivsten Vulkane der Welt, hat es buchstäblich in sich: Nach seinem bislang schwersten Ausbruch 1669 zerstörte seine Lavaflut große Teile Catanias, der mit mehr als 300.000  Einwohnern heute zweitgrößten Stadt Siziliens. Auch in der gerade vergangenen Dekade rumorte er mehrmals, besonders heftig im Oktober 2002, als sein Ausbruch zahlreiche Schäden verursachte und danach viele Wochen lang die Erde bebte. Damals ergoss sich die Lava auch über die Station Etna Nord mit  Hotels, Restaurants, Souvenirläden und einer Skischule – etwa dort,  wo der große Parkplatz heute einen Neubeginn markiert. 2004, 2006, 2008 und 2011 kam es zu weiteren, kleineren Ausbrüchen. Immer wieder müssen die Bergbewohner bangen, wenn der Mongibello es nicht nur bei einem kleinen Muskelspiel belässt, wie am 5.Januar 2012.

Vorbei mit dem Weiß: Nach dem Vulkanausbruch ist die Winterlandschaft mit Asche und Granulat übersät.Spuren hat aber auch dieses hinterlassen. Das stellen die Neugierigen fest, die es noch am gleichen Tag von Süden her auf den Berg zieht, nur Stunden, nachdem der Ätna wieder zur Ruhe gekommen ist. Was für ein anderes Bild bietet sich nun: Das zuvor unberührte Weiß des Schnees ist von unzähligen dunklen Sprenkeln übersät, und die Mitarbeiter der Ausflugslokale haben alle Hände voll zu tun, um die Räume von Asche und Staub zu befreien. Sogar auf den Dächern kommen die Besen zum Einsatz. Räumfahrzeuge sind auf den rutschigen Straßen unterwegs, die nun ein feines Granulat bedeckt.

Blickfang schon vom Mittelmeer aus: Der schneebedeckte Ätna prägt die gesamte Region um Catania.Für die, die hier leben, aber wohl nur Routinearbeiten: Das Institut für Vulkanologie in Catania, das den Ätna ständig beobachtet, hat allein für das Jahr 2011 an die 20 Mal eine erhöhte Aktivität des Bergs verzeichnet. Mit Rumpeln, Feuerspucken und Ascheregen. Wann es dazu kommt, folgt aber den ganz eigenen Gesetzen des Mongibello, in dessen Tiefe die Römer und alten Griechen ihren Feuergott  Vulcanus beziehungsweise Hephaistos vermuteten. „Ich hätte so gern ein kostenloses Silvesterfeuerwerk gehabt”, scherzt einer der Touristen aus dem Norden. Das hätte auch uns gefallen. Pech gehabt: Dafür war der 5. Januar dann doch ein bisschen zu spät.

Informationen

Anreise

  • Mit dem Flugzeug: Der nächste Flughafen ist in Catania.
  • Mit dem Auto: Die lange Fahrt durch ganz Italien lässt sich durch eine Fährpassage von Genua nach Palermo kräftig abkürzen.

Internet

Seiten zum Ätna:

Lektüre

Zwei kompakte Reiseführer zum ersten Überblick über Sizilien sind:

  • Merianlive! Sizilien/Liparische Inseln, Ralf Nestmeyer, 2010 München
  • Marco Polo Liparische Inseln, Hans Bausenhardt, Reisen mit Insider-Tipps. 2010

 

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