Die Berberaffen bewegen sich auf dem Felsen weitgehend frei.

Affentheater auf dem Upper Rock

Die britische Kronkolonie Gibraltar an Spaniens Südzipfel überragt die Meerenge zwischen Mittelmeer und Atlantik

Von Renate Brämer

Es müssen nicht immer Bananen sein: Ein Berberaffe nimmt sich eine Weinbeere.

Zielstrebig legt sich die kräftige Pfote auf die geballte Menschenfaust, die das Objekt der Begierde fest umschließt. Behutsam biegen die dunklen Finger ihre hellen Gegenstücke der Reihe nach auf, bis die reife Weintraube auf dem Handteller des Besuchers frei liegt. Zack! Jetzt schiebt sich der putzige Kerl im braunen Pelz die Frucht flink in den Mund – zum Entzücken der kamerabewehrten Gesellschaft, die das ungleiche Paar umringt. Gibraltar ist der einzige Ort in Europa, wo frei lebende Affen zu Hause sind.

Kaum ein Besucher der britischen Kolonie an Spaniens Südspitze lässt sich den Abstecher in das hoch auf dem Felsen gelegene Naturschutzgebiet entgehen, das die munteren Berbermakaken bevölkern. Berührungsängste gegenüber Menschen kennen die halbwilden Tiere, die eine Unterart der Meerkatzen sind, deshalb kaum.Fast stellt sich die Frage, wer im „Affentheater auf dem Upper Rock“ auf der Bühne steht und wer im Publikum sitzt. Unergründlich, ein wenig gelangweilt und doch neugierig wirkt der Blick aus Tieraugen, wenn sich wieder ein Reisebus die Serpentinen heraufgequält und eine neue Ladung an Touristen ausgespuckt hat.

Der Felsen von Gibraltar ragt weithin sichtbar hoch aus dem Meer.Die Herkunft der Berberaffen ist bis heute nicht sicher geklärt. Doch die Nachfahren der Briten, die die strategisch wichtige Halbinsel zwischen Mittelmeer und Atlantik 1704 erobert und ungeachtet aller spanischen Ansprüche nicht mehr herausgegeben haben, kümmern sich sorgsam um sie. Schließlich weht die britische Flagge einer Legende nach nur so lange auf dem Felsen, bis der letzte Affe verschwunden ist. Damit ist vorläufig aber nicht zu rechnen. Die noch im Zweiten Weltkrieg vom Aussterben bedrohten Tiere vermehren sich heute fast zu kräftig.

Gibraltar mit seiner wechselvollen Geschichte, die bis zu den Neandertalern zurückreicht, hat jedoch weitaus mehr zu bieten als die berühmten „apes“. Schon die Einreise über die schmale Landenge hinter dem spanischen La Línea de la Conceptión ist ein Erlebnis, denn die Hauptstraße führt quer über die Flughafenbahn. Landet oder startet ein Flieger, stoppt eine rote Ampel den Verkehr. In der Stadt selbst pulsiert reges Leben. Zahlreiche Tagesbesucher nutzen in dem nur sechs Quadratkilometer großen Steuerparadies die Gelegenheit zum zollfreien Einkauf. Die Weinhochburg Spanien ist plötzlich weit entfernt: In den Pubs und Straßencafés der Main Street schäumt Bier in den Gläsern, serviert werden Sandwiches statt Tapas. Die Kellnerin nennt den Rechnungsbetrag in englischen Pfund, kassiert dann aber gnädig Peseten. Geschäfte, Straßen und Sehenswürdigkeiten sind natürlich auch auf Englisch beschildert.

Von der hoch gelegenen Heraklessäule aus kann der Blick bis nach Afrika schweifen.Die Alameda Gardens mit ihrer reichen Pflanzenwelt sind nicht nur ein botanisches Juwel. Dort finden in einem Freilufttheater auch zahlreiche Kulturveranstaltungen statt. Auch die beeindruckende St.-Michaels-Höhle mit ihren bunt beleuchteten Tropfsteinen lohnt einen Besuch. Im Keller des Gibraltar-Museums sind die vielleicht am besten erhaltenen Maurischen Bäder Europas zu bewundern. Die jüdische Synagoge aus dem Jahr 1724 ist eine der ältesten auf der ganzen Iberischen Halbinsel.

Die Konflikte zwischen Großbritannien und Spanien wegen des Marine- und Luftwaffenstützpunkts gehören jedoch keineswegs einer fernen Vergangenheit an – das wird spätestens bei der Ausreise deutlich. Die Grenzkontrollen trotzen allen europäischen Lockerungen und ziehen sich reichlich in die Länge. Erboste Autofahrer in der Warteschlange stimmen schließlich ein grelles Hupkonzert an. Die Geduldigeren trösten sich mit einem wunderschönen Anblick: Nicht nur bei Capri versinkt eine rote Sonne romantisch im Meer.

Informationen

Tourismusbüro Duke of Kent House
Cathedral Square
Gibraltar
Telefon (0 03 50) 7 49 50
Fax (0 03 50) 7 49 43

Internet

www.gibraltar.gi

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