Baustart war bei Uzès: Im Vallée d'Eure sind heute noch Überreste der antiken Wasserleitung nach Nîmes zu sehen.

Wasser für Nemausus, Wasser für Uzès

Die Quellen der Eure speisten einst das 50 Kilometer lange Aquädukt, das Nîmes zur Römerzeit mit Trinkwasser versorgte. Der berühmte Pont du Gard ist nur ein kleiner Teil davon. Die antike Leitung ist längst versiegt, doch die Quellen sprudeln unermüdlich weiter. Heute versorgen sie statt des antiken Nemausus das nahe Städtchen Uzès.

Von Renate Brämer

Schwanenbad in der Gischt: Ein Teil des klaren Quellwassers ergießt sich bei Uzès in den Alzon.

Das klare Wasser schießt unter dem steinernen Steg hervor, ergießt sich als kleiner Sturzbach in den Alzon. Dort, wo es am stärksten brodelt und weiße Gischt aufschäumt, zieht ein Schwan mit gelassener Eleganz seine Kreise. Scheinbar mühelos gleitet er auf den Wirbeln dahin. Der große Vogel hat sich für sein Schauspiel ein besonderes Gewässer ausgesucht: Das verrät dem Betrachter eine Tafel an dem einstigen Mühlengebäude, das ans Ufer grenzt. Nur wenige Schritte entfernt haben die Quellen der Eure ihren Ursprung, deren Wasser die Römer einst über ein 50 Kilometer langes Aquädukt von dem Tal bei Uzès bis nach Nîmes leiteten.  

Die Stadt, die in der Antike nach dem Gott der Quellen benannt war und Nemausus hieß, litt im Jahr 50 nach Christus unter akutem Trinkwassermangel. 20 000 Menschen lebten mittlerweile dort, und mit der ständig wachsenden Einwohnerzahl wuchs auch der Wasserverbrauch.  Um den Bedarf in den Haushalten, öffentlichen Bädern, zur Gartenbewässerung, in den zahlreichen Handwerksbetrieben und Wäschereien zu decken, reichten die Quellen im und nahe dem Ort kaum mehr aus.  Also schwärmten römische Suchtrupps aus und wurden schließlich nahe bei dem heutigen Uzès fündig, das damals noch Ucetia hieß. Am linken Ufer des Flusses Alzon stießen sie auf die ergiebigen Eure-Quellen – und der Bau des Aquädukts konnte beginnen.

Hier wurden die Römer fündig: Ein Schild an der früheren Mühle verweist auf die Quellen.Wer die fast 230 Kilometer lange Eure im Nordwesten Frankreichs vor Augen hat, nach der ein ganzes Département benannt ist, hält hier im Süden jedoch vergeblich nach einem sichtbaren Flusslauf Ausschau. Unter dem Namen Eure verbirgt sich bei Uzès eine wasserführende Schicht in einem Kalkmassiv. Deren Nass drängt dort gleich an zehn Stellen an die Erdoberfläche, und das mit Macht.  Noch heute ist das Tal, durch das sich der 20 Kilometer lange Alzon windet, nicht nach diesem, sondern nach den kräftig sprudelnden Trinkwasserquellen benannt: la Vallée d’Eure.

Beim Durchwandern des schönen Tals stößt man bald auf die Spuren der antiken Wasserleitung, die Ausgrabungen erst vor wenigen Jahrzehnten zutage befördert haben. Info-Tafeln verdeutlichen, welch riesige Herausforderung es für die Ingenieure war, das Trinkwasser bis ins antike Nemausus zu leiten. Nur 25 Kilometer war die Stadt von Utecia entfernt –  doch doppelt so lang musste die kunstvolle Wasserleitung ausfallen, mit deren Bau Hunderte von Arbeitern viele Jahre lang beschäftigt waren. Denn das Gelände, dessen natürlichen Gegebenheiten der Verlauf des Kanals angepasst wurde, barg viele Schwierigkeiten.  Hauptproblem war das schwache  Gefälle von durchschnittlich nur 25 Zentimetern pro Kilometer. Dass nach Fertigstellung der Anlage  pro Tag durchschnittlich 20000 Kubikmeter Wasser nach Nemausus gelangten, in Spitzenzeiten sogar 35000 Kubikmeter, ist eine Meisterleistung.

Ausgegraben: Ein Teil des unterirdischen Kanals ist im Vallée d'Eure nun sichtbar.Auf einem großen Stein im Vallée d’Eure bekommen Spaziergänger und Radler ganz akribische Zahlen serviert: dass Uzès genau 71,128 Meter über dem Meeresspiegel liegt, Nîmes hingegen nur 58,945 Meter, der Höhenunterschied folglich 12,183 Meter beträgt. Vor den Pfeil, der auf „Des Sources”, die Quellen, hinweist, hat ein Witzbold „Manon” gekritzelt. So erfährt jeder, dass er Marcel Pagnols „Manon des Sources” gelesen hat, in der deutschen Übersetzung „Die Wasser der Hügel”.  Ein guter Lesetipp ist das allemal. Das zweiteilige Werk unterstreicht eindrücklich, wie lebenswichtig die Versorgung mit Wasser ist. Im ersten Teil geht es um einen früheren Steuerbeamten, der als Landwirt in einem Bergdorf im Hinterland von Marseille zugrunde geht, weil ihm böswillige Nachbarn die Quelle auf seinem Gelände verstopft haben – glänzend verfilmt mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle als Jean de Florette. Dafür will Jeans Tochter Manon später Rache nehmen.

Imposant: Der fast 2000 Jahre alte Pont du Gard zieht Touristen aus aller Welt an. Nur wenig weiter entdeckt man schon einige Relikte des historischen Aquädukts, das zu 90 Prozent unterirdisch verlief. Ein altes Regulierungsbecken  ist noch zu sehen, auch sind Teile des etwa mannshohen Kanals mit seiner Gewölbedecke gut erhalten. Bis die römische Wasserleitung zwischen Uzès und Nîmes versiegte, sollte sie immerhin etwa 500 Jahre lang gute Dienste tun. Erst Anfang des 6. Jahrhunderts nach Chr. wurde sie wegen zunehmender Kalkablagerungen und Verunreinigungen aufgegeben.  

Bei ihrem berühmten Teilstück, der imposanten Brücke über den Gardon bei Vers, stoppen heute noch Scharen kamerabewehrter  Touristen aus aller Welt. Der fast 50 Meter hohe Pont du Gard gehört seit 1985 zum UNESCO-Welterbe. Viele bleiben dennoch nur für ein paar Klicks, um ihn abzulichten. Wer sich mehr Zeit nimmt, kann jedoch im nahen Museum eine Menge über das gesamte Aquädukt, seinen Verlauf und seine mühsame Entstehung erfahren. So lässt sich beispielsweise per Audiosystem mitverfolgen, wie Gnaeus Domitius Afer, der als so genannter curator aquarum für die antike Wasserleitung zuständig war, seinem Neffen den Bau des Äquadukts erklärt. Anhand alter Manuskripte konnte das Gespräch rekonstruiert werden.

50 Kilometer: Das Museum beim Pont du Gard zeigt den Verlauf der antiken Wasserleitung.Soviel Aufmerksamkeit wird dem weitaus weniger spektakulären Ursprung des Aquädukts bei den Eure-Quellen nicht zuteil. Doch letztere haben bis heute ihre eigenen Verdienste: Für die Wasserversorgung von Uzès sind sie unverzichtbar. Seite Mitte des 18. Jahrhunderts deckte das Quellwasser den kompletten Bedarf des Städtchens mit seinem schönen historischen Kern. Erst vor wenigen Jahren musste eine neue Bohrstelle mit Pumpstation angelegt werden, um die Versorgung mit Trinkwasser auch zu Spitzenzeiten sicherzustellen. Vorwiegend sorgt jedoch noch immer die Fontaine d’Eure – so heißen die Quellen schlicht im Sammelbegriff – dafür, dass sie nicht auf dem Trockenen sitzen.

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