Eingebettet in wunderbare Berglandschaft: Bugarach am Rand der Pyrenäen zieht heute vor allem Wanderer statt Esoterikern an.

Mittagsruhe am magischen Pic

Im Dezember 2012 war Bugarach am Fuß der französischen Pyrenäen ein Magnet für Esoteriker und Spinner: Sie erhofften sich dort Rettung vor dem Weltuntergang, den der Maya-Kalender vermeintlich vorausgesagt hatte. Doch das Inferno fiel bekanntlich aus – und das Dorfleben geht längst wieder seinen gemächlichen Gang.

Von Renate Brämer

Unübersehbar: Schon von Weitem zeigt sich der Pic von Bugarach am Horizont.Mehr Stille geht eigentlich gar nicht. Es ist Mittagszeit, und die Straßen und Gassen von Bugarach sind wie leergefegt. Langsam schlendern wir an Häusern mit geschlossenen Fensterläden vorbei. Auch das Rathaus, vor dessen Fassade schlaff die Trikolore hängt, ist jetzt verriegelt. In der Krone der Platane vor der ebenfalls geschlossenen Post hat sich ein vergessenes Skateboard verhakt. Dass das Restaurant Les Savoirs du Terroir uns ebenfalls nicht mit offener Tür erwartet, damit haben wir jedoch nicht gerechnet: Uns knurren allmählich die Mägen. Eine Alternative tut sich auch am Ortsrand nicht auf. Alle Gerichte seien bereits ausgegangen, verkündet der Mann hinter dem Tresen des Schnellimbisses, wo zwei Engländerinnen gerade die letzten Reste von ihren Tellern aufspießen. Und das Restaurant La Ferme de Janou, auf das wir unsere letzte Hoffnung setzen, hat seine Küche ebenfalls gerade geschlossen. Um noch etwas Warmes auf den Teller zu bekommen, sind wir eine knappe halbe Stunde zu spät.

Verschlafen: Bugarach ist ein winziger Ort am Rand der Pyrenäen.Sogar um ein ganzes Jahr und neun Monate haben wir jedoch das Ereignis verpasst, das dem verschlafenen Pyrenäendorf mit etwa 200 Einwohnern südlich von Carcassonne im Departement Aude einen nie zuvor erlebten Medienrummel beschert hatte. Weil am 21. Dezember 2012 angeblich der Weltuntergang bevorstand, machten sich schon lange vorher Scharen von Abenteuerlustigen, Esoterikern und Spinnern auf den Weg in den Ort am Fuß des 1231 Meter hohen Pic de Bugarac. Hinein kamen sie am punktgenauen Datum aber nicht: Damit Bugarach nicht völlig überrannt wurde, wurde das Dorf sicherheitshalber einige Tage lang weiträumig abgeriegelt. Mehr als 150 Polizisten waren im Einsatz, um den unerwünschten Zustrom zu verhindern. Die bevorstehende Apokalypse hatte sich vermeintlich aus dem Maya-Kalender herauslesen lassen, in dem damals eine Periode zu Ende ging. Und Rettung versprach nur der Pic bei Bugarach – zumindest wenn man den recht abenteuerlichen Gerüchten Glauben schenkte, die sich um die höchste Erhebung des Gebirgszugs der Corbières rankten. In dem „magischen” Berg mit seiner eigenwilligen Form seien Außerirdische verborgen, die mit Hilfe von Ufos Auserwählten die Flucht vor dem Inferno ermöglichten, lautete eines davon.

Maya-Schimpfe: Ein Besucher tut sie auf dem Verkehrsschild kund.Während wir im September 2014 durch die entvölkerten Straßenzeilen streifen, versuchen wir uns das vorzustellen, was auf Bildern und Videos von den turbulenten Tagen im Internet festgehalten ist: Menschen mit Antennen auf den Köpfen und grün bemalten Gesichtern, scherzhaft als Außerirdische hergestellt. Kamerateams an fast jeder Ecke. Souvenirverkäufer, die den Hype zu nutzen versuchen. Doch in der Stille von heute bedarf das einiger Fantasie. Fast nichts zeugt noch von dem Rummel, jetzt, wo die Welt sich immer noch unbeirrt weiter dreht – nur der Schriftzug  „Mayas sucks”, den ein Enttäuschter auf das Verkehrsschild am Ortseingang an der D4 geschmiert hat.

Doch für Spaziergänger und Wanderer ist Bugarach, eingebettet in seine wunderschöne Landschaft im Pyrenäenvorland, nach wie vor ein lohnendes Ziel. Naturfreunde können hin und wieder am Himmel Adler entdecken, die in der Stille ihre Kreise ziehen. Wanderungen sauf den Spuren der Katharer und zu dem legendären Pic, von dem aus bei gutem Wetter sogar das Mittelmeer sichtbar sein soll. Wir stoßen am Ortsrand auf das Maison de la Nature et de la Randonnée, möglicher Ausgangspunkt. Hier gibt es nicht nur die Möglichkeit zur Rast und Unterkünfte, sondern zu bestimmten Zeiten auch Getränke und etwas zu essen. Aber nicht jetzt. Das Haus ist zu und keine Menschenseele zu sehen.

La mairie von Bugarach: Vor dem Amtssitz des Bürgermeisters huscht mittags nur eine Katze vorbei. Ausgehungert fahren wir deshalb ins benachbarte Rennes-le-Château. Das hat zwar noch weniger Einwohner als Bugarach, aber dennoch mehrere geöffnete Restaurants. Im „La Reine de Château” können wir uns endlich handfest stärken, mit einem hausgemachten Cassoulet. Beim anschließenden Rundgang durch den Ort lässt der Trubel um Bugarach in einem auch mit viel esoterischen Kram bestückten Andenkenladen noch einmal grüßen – in Form einer Ansichtskarte vom Pic, über dem ein Ufo kreist. Rennes-le-Château hat übrigens seine eigene mystische Legende: Sie kreist um einen geheimnisvollen Schatz, den ein Pfarrer Ende des 19. Jahrhunderts dort entdeckt haben soll, den Heiligen Gral womöglich. Aber das ist eine andere Geschichte.

Informationen


Internet

http://www.bugarach.fr/

Film

Der Dokumentarfilm "Bugarach – Chronik eines Weltuntergangs" unter Regie von Ventura Durall zeichnet den Trubel um Bugarach bis Ende Dezember 2012 nach.

 

 

 

 

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