Statt der Boote im Freizeithafen ziehen bald große Segelschiffe die Blicke auf sich.

Eine Stadt unter Segeln

Brest am äußersten Zipfel der Bretagne feiert alle zwei Jahre ein großes Festival des Meeres und der Seeleute

Von Renate Brämer

Immer wieder bleiben Spaziergänger stehen, um einen neugierigen Blick auf die Asgard II zu werfen. Das schmucke Schulsegelschiff aus Irland hat im Handelshafen von Brest festgemacht, und sein grün gestrichener Holzrumpf schimmert weithin sichtbar in der Morgensonne. Wenn die Schonerbrigg noch im Juli vor der Kaimauer dümpelt, muss sie sich die Aufmerksamkeit jedoch mit viel Konkurrenz teilen: Die alte Marinestadt am äußersten Zipfel der Bretagne feiert dann bereits zum fünften Mal ihr großes Festival des Meeres und der Seeleute.

Die Asgard II ist schon lange vor dem Festival eingetroffen.Mehr als 2000 Segelboote und –schiffe sowie 15 000 Segler aus aller Welt werden hierzu erwartet. Asiatische Dschunken und klassische Yachten, historische Schiffe und traditionelle Fischeerboote – sie alle sind bei dem bedeutendsten Seglertreffen Europas vereint. Auch die beiden größten Segelschiffe der Welt, die in den 20er Jahren in Kiel beziehungsweise Hamburg gebauten russischen Viermaster Sedov und Kruzenshtern werden ein besonderer Blickfang sein. Gastländer bei dem Festival, das alle vier Jahre stattfindet, sind diesmal Kroatien, Galicien, Madagaskar, Norwegen und Vietnam.

Doch auch eingefleischte Landratten sollen auf ihre Kosten kommen. „Es wird ein Festival für die Augen – und für alle“, verspricht Chantal Guillerm vom Organisationsteam. Wenn Brest wieder zur Stadt unter Segeln wird, werden auf acht Bühnen Musik und Tanzdarbietungen, Theatervorführungen  und Kleinkunst geboten. Auch zeigt die Stadt., die heute noch Stützpunkt der französischen Atlantikflotte ist, dass sie sich in Frankreich mittlerweile die führende Rolle in der Ozeanografie erobert hat: Wissenschaftler und Forscher präsentieren im Rahmen des Internationalen Polarjahrs ihre Arbeitsergebnisse.

Gefangene haben Kokosnüsse in mühevoller Arbeit zu Puderdosen umgestaltet.Das Leben am Meer, mit dem Meer prägt Brest in vielen Facetten. Noch immer werden in den Trockendocks zahlreiche Schiffe repariert. Hoch über dem Hafen und dem Fluss Penfeld thront das auf römischen Mauern errichtete, vom Marquis de Vauban im 17. Jahrhundert zur Festung ausgebaute Schloss, das heute das Nationale Marinemuseum beherbergt. Es zeichnet ausführlich die Geschichte der französischen Seefahrt nach. Mancher Besucher nimmt jedoch verblüfft mehrere kunstvoll verzierte Kokosnüsse in Augenschein, die sich unter die Exponate rund um die Fischerei und Seefahrt mischen: Sie erinnern an eine düstere Seite Brests, das bis 1858 ein gefürchtetes Gefängnis beherbergte. Die Insassen, denen für kleinste Vergehen drakonische Strafen drohten, haben die als Puderdosen genutzten Kleinode in mühevoller Arbeit angefertigt.

Der Turm Tanguy bewahrt die Erinnerung an Brests  Geschichte.Im Zweiten Weltkrieg machten die deutschen Besatzer das Schloss zu ihrem Hauptquartier. Als die Allierten Brest 1944 zu Hilfe kamen, hagelten Tausende von Tonnen Bomben auf die Stadt herab.Sie wurde fast völlig zerstört. Von den mittelalterlichen Gebäuden, die einst das Stadtbild prägten, ist so gut wie nichts mehr zu sehen. Der Turm Tanguy, jenseits des Flusses Penfeld gelegen und über die Zugbrücke Recouvrance erreichbar, bewahrt die Erinnerung an die Geschichte: Dort hat das historische Museum seinen Platz.

Warum die Hauptstraße der heute 151 000 Einwohner zählenden Universitätsstadt ausgerechnet Rue de Siam heißt, weiß Fremdenführerin Mireille Kervella: Sie verdankt ihren Namen dem Zwischenstopp dreier Prinzen aus dem damaligen Königreich Siam, die 1686 nach Paris zu dem Sonnenkönig Ludwig XIV. unterwegs waren. Erschöpft von der langen Seefahrt, machten sie in Brest Rast – bestaunt von der Bevölkerung, die noch niemals Asiaten gesehen hatte, schon gar nicht in solch prächtigen Gewändern.

Der Park Océanopolis gibt vielfältige Einblicke in die Welt der Meere. Seit den 90er Jahren hat Brest einen Besuchermagneten, der sich – wie sollte es anders sein – ebenfalls dem Meer verdankt: den Park Océanopolis beim Freizeithafen Port de Plaisance. Er präsentiert in 50 Aquarien die Artenvielfalt der Weltmeere. Drei Themenpavillons sind den Ökosystemen der polaren, tropischen und gemäßigten Zonen gewidmet.

Die künstliche Wasserwelt, die eng mit Wissenschaftlern und Forschern zusammenarbeitet, umfasst tausend Tierarten. Japanische Riesenkrabben staksen langbeinig über den Grund, farbenprächtige exotische Fische schwimmen dicht vor den Augen der Besucher vorbei, ebenso wie große Meeresschildkröten und Haie. Letztere sieht Mitarbeiterin Geraldine Grattepanche zu Unrecht als Gefahr verunglimpft. Nur sehr wenige Menschen kämen pro Jahr durch Haie zu Tode, sagt sie zu ihrer Ehrenrettung: „Aber Menschen töten jährlich 60 Millionen Haie.“

Die Landspitze Pointe Saint  Mathieu trägt die Ruinen einer alten Benediktinerabtei.Wenn sich im Juli Tausende von Seglern Brests Küste nähern, empfängt sie schon von weitem eine Phalanx von Leuchttürmen. Den wohl schönsten Platz hat der auf der Landspitze Pointe Saint Mathieu bei Plougonvelin gelegene: Vor den Ruinen einer alten Benediktinerabtei aus dem 10. Jahrhundert ragt er malerisch in den Himmel.  

Siehe auch: Karge Schönheit zwischen Himmel und Meer (Insel Ouessant)


Informationen

Atout France - Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 100128, 60001 Frankfurt am Main, [email protected]

Internet

www.rendezvousenfrance.com

Anreise

Brest ist per Bahn mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV erreichbar, unter anderem von Paris aus, sowie mit Flügen zum Flughafen Brest-Bretagne.

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