Vorsichtig dreht der Endvierziger in der schwarzen Motorradkluft die langstielige Rose in der Hand. Zwei Schritte weiter, dann hat er die Kultstätte erreicht und legt die edle Blüte auf dem Grab seines Idols ab. Schweigend, wohl mit ein paar Klängen der unverwechselbaren Stimme im Ohr, entziffert er die verblasste Inschrift auf dem Stein: James Douglas – bekannter als Jim Morrison. Der legendäre Sänger der Doors, der 1971 im Alter von nur 27 Jahren unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist, hat hier auf dem Friedhof Père Lachaise im Osten von Paris seine letzte Ruhestätte gefunden und ist ein Star geblieben: Immer wieder wird das Grab von treuen Fans umringt.
Doch auch ältere Damen mit Schäfchen-Locken, die wohl noch nie in ihrem Leben „The End“ oder „Light my Fire" gehört haben, pilgern dorthin. Denn längst haben sich etliche der mehr als ein Dutzend Pariser Friedhöfe zur Touristenattraktion entwickelt – zahlreiche Persönlichkeiten der Zeitgeschichte sind in der Seine-Metropole bestattet.
So ruht auf dem 1804 eröffneten Cimetière du Père Lachaise, dem größten und bekanntesten unter ihnen, auch der Komponist Frédéric Chopin – nur wenige Schritte von dem Doors-Sänger entfernt. Und im Nordosten des 47 Hektar großen Areals befindet sich das Grab von Edith Piaf, die ihre so ganz anderen Chansons als „Spatz von Paris" unvergesslich gemacht haben: Immerhin 40 000 Menschen kamen 1963 zu ihrer Beerdigung. Auch die stimmgewaltige Maria Callas ist hier bestattet.
Die Welt der Schriftsteller und Dichter wird unter anderem durch Oscar Wilde, Marcel Proust, Honoré de Balzac und Colette – mit den kaum bekannten Vornamen Sidonie Gabriele – repräsentiert, die der Malerei durch Georges Seurat und Eugène Delacroix. Auch Abélard und Héloise, das berühmte Liebespaar aus dem 12. Jahrhundert, wurden einst auf den zunächst wenig beliebten neuen Friedhof überführt, um ihn den Parisern als „Endstation" schmackhaft zu machen.
Damit sich die Besucher im Labyrinth der Grabstätten zurechtfinden, werden am Eingang Lagepläne als Wegweiser zu den berühmten Toten angeboten – wie auch auf dem Friedhof von Montparnasse, dem zweitwichtigsten und kaum minder sehenswerten der Stadt. Manche Besucher erweisen dem wohl bekanntesten Grab gleich rechts vom Haupteingang passend im schwarzen Rollkragenpulli, dem „Existenzialisten-Look", die Ehre: Dort ist das Philosophen- und Schriftstellerpaar Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir bestattet – gemeinsam, obwohl es zu Lebzeiten nie eine Wohnung geteilt hat. Nicht nur Blumen zieren das Grab, auch Bonbons sind als Tribut an die Vorlieben Sartres darüber verstreut: Neben dem Rotwein ließ er sich auch gern Süßigkeiten schmecken. Mit Zigaretten und Weinflaschen wird auch posthum noch der bekannte Schriftsteller argentinischer Abstammung Julio Cortázar beglückt. „Er trank nun mal sehr gerne“, erklärt ein junges Paar aus seiner Heimat in sorgsamem Englisch.
Weitere Schriftstellerkollegen im „Who is who“ dieser begrünten Totenstadt sind Samuel Beckett und Eugène Jonesco, Charles Baudelaire und Guy de Maupassant. Durch seine auffallende Gestaltung zieht das Grab des vom Film besessenen Henry Langlois, der die Cinémathèque Française gegründet hat, die Blicke der Vorbeischlendernden auf sich: Es ist über und über mit Fotos und Filmstreifen bedeckt. Und der ausschließlich unter seinem Vornamen Ricardo bestattete langjährige Assistent Menon der Niki de Saint Phalle wird von einer riesigen farbenfrohen Katzenskulptur aus der Hand der Künstlerin selbst behütet – ein heiteres Monument inmitten von Tod und Trauer, das die Passanten unweigerlich zum Schmunzeln bringt.
Auch auf dem Nordfriedhof im Westen des einst als Künstlerviertel berühmten Montmartre stoßen die Besucher auf bekannte Namen – zum Beispiel Henri Stendhal, Edgar Degas, Dalida, Francois Truffaut und Heinrich Heine. Letzterer hatte aus Liebe zu dem Quartier sogar in seinem Testament verfügt, dass er auf dem Friedhof Montmartre bestattet werden wolle – aber nur in bescheidenem Rahmen, ohne Geistlichen und falls er bei seinem Ableben gerade nicht allzu weit entfernt sei. 1856 ging der Wunsch des berühmten deutschen Dichters, der seiner damals so reaktionären Heimat enttäuscht den Rücken gekehrt hatte, in Erfüllung. Und natürlich gibt es auch auf dem Friedhof von Montmartre einen Lageplan, damit die Spurensucher ihn nicht verpassen.
Informationen
Atout France - Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 100128, 60001 Frankfurt am Main, [email protected]
Internet
Atout France - Französische Zentrale für Tourismus, www.rendezvousenfrance.com
Adressen
- Cimetière du Père Lachaise
Boulevard de Ménilmontant
Métrostation Père Lachaise oder Gambetta - Cimetière de Montparnasse
Boulevard Edgar-Quinet
Métrostation Edgar Quinet oder Raspail - Cimetière de Montmarte
Avenue Rachel
Metrostation Blanche
Lektüre
- „Rendezvous mit den Toten", Spaziergänge über Pariser Friedhöfe, Heidi Wiese, Verlag Neues Literaturkontor.
- „Paris Reisehandbuch", Ralf Nestmeyer, Michael-Müller-Verlag
- Polyglott „ReiseBuch Paris", Peter Eckerlin