Wie ein riesiges Tor erhebt sich das U-förmige Gebäude am Ufer des Lez. Tagsüber wirft es mit glitzernden Fensterfronten das Sonnenlicht zurück, abends erstrahlt es im Schein effektvoller Illumination.
Wie ein riesiges Tor erhebt sich das U-förmige Gebäude am Ufer des Lez. Tagsüber wirft es mit glitzernden Fensterfronten das Sonnenlicht zurück, abends erstrahlt es im Schein effektvoller Illumination. Die Wirkung bleibt nicht aus: Fast jeder Passant hält inne, wenn er sich zum ersten Mal der beeindruckenden Fassade aus Stein und Glas gegenüber sieht.
Hier bittet Montpellier, traditionsreiche Universitätsstadt in Südfrankreich, zum Einlass in ihren modernsten Stadtteil. Der trägt den Namen der Ödipus-Tochter Antigone, der Sophokles seine berühmte Tragödie gewidmet hat. Elemente der griechisch-römischen Antike spiegeln sich auch in den säulengesäumten Häusern wider und den großzügigen Plätzen, die unter schattenspendenden Bäumen zum Verweilen einladen. Doch die Kombination mit modernen Baustilen und Materialien wie Glas, Stahl und Beton geben dem Viertel, das der Spanier Ricardo Bofill entworfen hat, sein ganz eigenes Gepräge.
Futuristisch-kühn nennen es die einen, Kritiker sprechen schon mal von einer Filmkulisse im Historien-Schinken-Dekor. Der Sozialist Georges Frêche, lange Jahre Bürgermeister in Montpellier, dürfte sich davon bei seinen ehrgeizigen Plänen für die Weiterentwicklung der Stadt zum knapp zehn Kilometer entfernten Meer hin jedoch kaum beirren lassen. Denn „Antigone'', zu dessen Infrastruktur viele kleine Läden und Bistros sowie das Olympia-Schwimmbad zählen, ist schließlich kein Freilichtmuseum, sondern lebt: Spaziergänger flanieren entspannt über die Boulevards, Kinder tollen um die Fontainen der Brunnen, das Internetcafé ist gut besucht.
Provinziell wirkt die Hauptstadt der Region Languedoc-Roussillon, die nach kräftigem Wachstum mittlerweile mehr als 250 000 Einwohner zählt und als „Shooting star'' im Midi gilt, aber ohnehin nicht. Viele Veranstaltungen, darunter die großen Tanz- und Radiofestivals, sorgen im Sommer für pulsierendes Leben. Rund 55 000 Studenten sind heute an der Universität eingeschrieben, deren medizinische Fakultät schon im Mittelalter berühmt war.
Letztere befindet sich in einem ehemaligen Benediktinerkloster neben der alten, ziemlich trutzigen Kathedrale Saint Pierre und beherbergt auch ein anatomisches Museum aus dem letzten Jahrhundert. Kunstvolle Wachsmodelle gesunder und erkrankter Organe sowie Präparate aller Art füllen neben Skeletten, mumifizierten Köpfen und missgebildeten Föten in hohen Gläsern den prachtvollen Saal.
Eine weitaus heiterere Atmosphäre bietet jedoch unweit davon der Jardin des Plantes. Schon 1592 wurde der sehenswerte älteste botanische Garten Frankreichs von Henri IV gegründet, der einst den Medizinstudenten ihre Studien in Sachen Heil- und Giftpflanzen erleichtern sollte. Man kann aber weiter schlendern zum hoch gelegenen Park von Peyrou, der einen schönen Rundblick über die Stadt erlaubt. Zu Füßen der Anlage erinnern die Überreste eines Aquädukts aus dem 18. Jahrhundert an ihre einstige Aufgabe, die Wasserversorgung der Stadt durch Nachschub aus dem Hinterland zu sichern.
Zentrum des städtischen Lebens ist jedoch die Place de la Comédie vor der repräsentativen Fassade der Oper und nicht minder imposanter historischer Hotels. Von hier aus kann man die alten Gassen der Stadt erkunden, durch die Einkaufsstraßen bummeln und später in einem der Cafés ein Päuschen einlegen. Nahezu lautlos spuckt die erst im Jahr 2000 gebaute Straßenbahn – die „Öffis“ erleben in Südfrankreich gerade ihre Renaissance – am Rand des zur Fußgängerzone umgestalteten Platzes ihre Fahrgäste aus, die sich nach Feierabend zu einem Gläschen Rotwein mit Freunden treffen wollen.
Das ist dann auch die Stunde der Straßenkünstler. Eine alte Frau dreht neben jungen Rockmusikern ihren Leierkasten, ein Feuerschlucker erhellt mit Stichflammen die Dämmerung und kassiert dann bei jedem willigen Zuschauer persönlich ab. Ein Lebenskünstler ist er allemal. Kurz nach diesem Auftritt sehen wir ihn zum zweitenmal: Weiß gewandet, weiß geschminkt und unbeweglich als lebende Statue auf einem Sockel.
Informationen
Anreise
- Mit dem Auto über die französische Autobahn Mulhouse – Lyon (A7), hinter Orange Wechsel auf die A9 (Languedocienne) bis Montpellier oder
- mit dem Flugzeug (Flughafen Montpellier) oder
- mit der Bahn per TGV-Verbindung nach Montpellier.
Internet
Atout France - Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 100128, 60001 Frankfurt am Main, [email protected], www.rendezvousenfrance.com
Literatur
- Günther Liehr: Südfrankreich, Reihe Anders Reisen, Rowohlt Verlag.
- Hans-Georg Deggau: Cévennen und Languedoc, Reihe Richtig wandern, Dumont Buchverlag.