Vor der Silhouette von Kappeln ist in der Schlei der historische Heringszaun zu sehen.

Fischbrötchen, Raddampfer und Wikinger

Erholsamer Streifzug an der Schlei: Der Meeresarm der Ostsee erstreckt sich mehr als 40 Kilometer weit ins Land

Von Renate Brämer

„Peter Aal": Die Skulptur erinnert an eine uralte Methode des Fischfangs.Breitbeinig steht er vor dem Gebäude des Hafenmeisters, mit der Schirmmütze auf dem Kopf und in eine lange Schürze gehüllt. Die Pfeife behält Peter Aal auch dann im Mund, als er gelassen seiner Arbeit nachgeht: Geübt streift seine rechte Hand den schlangenförmigen Fisch von den Zinken des Geräts, mit dem er ihn gerade aufgespießt hat.

Die gleichnamige Plastik des hannoverschen Bildhauers Bernd Maro erinnert im Sportboothafen von Maasholm an eine uralte Methode des Fischfangs – das so genannte Aalstechen. Die Bronzeskulptur ist längst zum Wahrzeichen des einstigen Fischerdorfes an der Ostsee geworden. Schweift das Auge über sie hinweg bis zum Horizont, dann lässt sich dort die Mündung der Schlei erahnen. Von hier aus zieht sich der Meeresarm, der in der jüngsten Eiszeit vor 120 000 bis 10 000 Jahren entstanden ist, 42 Kilometer weit ins Landesinnere hinein.

Die historischen Anlegestellen in Maasholm waren einst ein belebter Ort.Sein Brackwasser ist seit jeher ein Lebensraum für zahlreiche Fischarten – die Grundlage für die Fischerei als wichtigen Erwerbszweig, der erst in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung verloren hat. Wer das malerische Maasholm mit seinen vielen schönen Fachwerkhäusern umrundet, kann an der Schleikante noch die Denkmal geschützten Anlegestellen für die historischen Schleikähne entdecken.

Sind die vielen Ausflügler verschwunden, senkt sich melancholische Stille über das Ufer. Doch einst ging es hier recht lebhaft zu: Eine Informationstafel mit alten Fotos kündet  von dem früheren regen Treiben, vom Be- und Entladen der flachen Kähne, vom Netzeflicken und Fischverkauf.

Fisch spielt immer noch eine gewichtige Rolle in dem zunehmend vom Tourismus entdeckten Dorf mit rund 650 Einwohnern, sei es in den Gaststätten oder an den Imbissbuden. Aus der Fischhandlung, die den Fang in so ziemlich jeder Form vom Filet bis zum Salat und der Suppe feilbietet,  kommen etliche Einheimische und Feriengäste schon am Morgen mit einem Fischbrötchen als zweitem Frühstück heraus. Auch in allen anderen Ortschaften entlang der Schlei  tischt die Gastronomie vorzugsweise auf, was aus deren Wasser stammt.

Die Klappbrücke in Kappeln gibt den Schiffen mehrmals am Tag den Weg frei.Nur 13 Straßenkilometer von Maasholm entfernt wartet Kappeln mit seinen knapp 10 000 Einwohnern mit einem einzigartigen Relikt des historischen Fischerlebens auf. Wer von der großen Klappbrücke, die den Schiffen in regelmäßigen Abständen den Weg auf der Wasserstraße freigibt, auf die Schlei herabschaut, sieht ein merkwürdiges Gebilde aus hölzernem Geflecht. Es handelt sich um einen mehr als 500 Jahre alten Heringszaun, der einzige immer noch funktionsfähige in ganz Europa und vielleicht sogar der Welt.

Die Anlage wurde immer dann in Zickzackform geschlossen, wenn die Heringsschwärme im Frühjahr zum Laichen aus der Ostsee in die Schlei zogen. Dann konnten die Fischer sie mit dem Netz leicht aus dem Gewässer ziehen. Bei den Kappelner Heringstagen, die seit 1979 immer am Himmelfahrtswochenende gefeiert werden, steht das Ereignis heute noch Jahr für Jahr im Mittelpunkt. Höhepunkt ist dann die so genannte Heringswette: Dabei geht es darum, Menge und  Gewicht der  Heringe zu schätzen, die dem Heringszaun nicht entrinnen konnten. 1648 gab es noch fast 40 Heringszäune von der Schleimündung bis hinter Kappeln.

Ausflugsschiffe und ein Raddampfer lassen die Schlei auf dem Wasserweg erkunden.Die Besucher Kappelns wandeln aber nicht nur auf den Spuren der Fischer, sondern auch auf denen eines bekannten Doktors. Denn die ZDF-Fernsehserie „Der Landarzt”, die vermeintlich in einem Örtchen namens Deekelsen spielt, wird tatsächlich vorwiegend in Kappeln gedreht. So findet man sich bei einem Rundgang durch die Straßen vor einer Hotelgaststätte wieder, die sich als die Landarztkneipe präsentiert.

In der Stadt, zu deren Anziehungspunkten auch ein Museumshafen und das Schleimuseum gehören, legen ein Raddampfer und mehrere Ausflugsschiffe ab. Wer auf ihnen gemächlich den Wasserweg zwischen der Schleimünde und Schleswig entlangschippert, kann an den Ufern immer wieder neue idyllische Ansichten entdecken. Weidende Pferde und  blühende Rapsfelder wechseln sich mit kleinen Ansiedlungen und grünen Uferwiesen ab. Urlaub an der Schlei bedeutet erholsame Tage –  beim Wandern und Wassersport, Angeln und Bummeln.

Arnis nennt sich gern „Perle der Schlei" – das Lokal am Wasser auch.Der winzige Ort Arnis, der unweit von Kappeln auf einer Halbinsel in der Schlei liegt, wirbt mit einem ganz eigenen Markenzeichen für sich: Er ist die kleinste Stadt Deutschlands – mit nur rund 365 Einwohnern. Neugierige, die die von Linden gesäumte „Lange Straße” mit dem kleinen alten Rathaus einmal abgeschritten haben, haben schon einen Großteil des Ortes gesehen. Die Stadtrechte hat Arnis allerdings erst seit der Gebietsreform von 1934, was nicht gerade an die große Glocke gehängt wird.

Vorher firmierte der Ort schlicht als Flecken Arnis. Er wurde 1667 von 64 Kappelner Familien gegründet, die vor der drohenden Leibeigenschaft unter dem Kappelner Lehnsherr Detlev von Rumohr geflohen waren. Linden säumen die „Lange Straße" in Arnis, an der auch das Rathaus liegt.Die historische Schifferkirche, möglicherweise das älteste Gebäude der Stadt, ein moderner Sportboothafen und immerhin vier Gaststätten prägen heute den Ort mit dem schmückenden Beinamen „Perle der Schlei”. Außerdem sind dort vier Werften angesiedelt. Das macht Arnis ebenfalls zu etwas Besonderem: In Bezug auf die Einwohnerzahl ist das die höchste Werftendichte in Deutschland.

Ganz am Ende der Schlei, wo sich schon eine Menge Süßwasser in das salzige Ostsee-Nass gemischt hat, liegt schon seit gut 1200 Jahren Schleswig. Die Kreisstadt mit rund 24 000 Einwohnern hat eine guterhaltene Altstadt mitsamt dem eindrucksvollen Dom St. Petri zu bieten, dessen Turm weithin sichtbar die Dachgiebel überragt. Auch das 1794 erbaute Rathaus am Rathausplatz, das durch den Umbau des alten Klosters entstanden ist,  ist ein Blickfang. Besonders hübsch ist aber die alte Fischersiedlung Holm mit ihren schmalen Gässchen, vor deren Häusern im Frühsommer die Rosen blühen. Auf einer Insel am Schleiende ist Schloss Gottorf ein Besuchermagnet.

Der Dom St. Peter überragt Schleswigs Dächer und ist weithin sichtbar. Doch zieht es viele von ihnen auch zum Südufer der Schlei: Dort hat sich einst Schleswigs Vorgängerort befunden, die im 8.Jahrhundert gegründete Wikinger-Siedlung Haithabu. Ein modernes Museum zeichnet heute die Lebensweise der Nordmänner in der frühen Stadt nach, die sich schnell zum bedeutenden Handelsplatz in Nordeuropa mauserte. Die Besucher können beispielsweise die Relikte eines imposanten Langschiffs bewundern, mit dem die Wikinger so erfolgreich zur See gefahren sind.

Sie erfahren, dass die Landebrücken Haithabus immer wieder verlängert werden mussten: So viele Jahrhunderte vor der Einführung einer funktionierenden Müllabfuhr warfen die Einwohner ihre Abfälle nämlich einfach in den Hafen – mit der Folge, dass die großen Handelsschiffe wegen des Unrats nicht mehr anlegen konnten. Zahlreiche alten Schmuckstücke, Haushaltsgegenstände und Geräte legen in dem Museum ebenfalls Zeugnis vom Alltag in der einst so mächtigen Siedlung ab, die im Jahr 1066 von Slawen überfallen und zerstört wurde.

Sieben Nachbauten von Wikingerhäusern zeichnen das Leben der Nordmänner nach.Im Freigelände an der historischen Stelle, das man vom Museum aus nach einem kleinen Fußmarsch erreicht,  stehen mittlerweile sieben Nachbauten von Wikingerhäusern sowie einer langen Landebrücke. Das Haus eines Tuchhändlers, eines Kammhändlers und eines Holzhandwerkers sind unter anderem zu sehen. Und natürlich, nahe bei einem Versammlungshaus, die Blockhütte eines Fischers. Der stand einst wohl kaum anders auf Beutefang am Rand der Schlei wie der in Bronze gegossene „Peter Aal” in Maasholm, wo der lange Ostseearm beginnt – mit einem langen Fischspieß in der Hand, wie er heute noch im Museum zu sehen ist.

Informationen

Lektüre

Katrin Tams: Ostseeküste mit Rügen und Usedom, 2010 Vista Point Verlag, Köln

Internet

www.ostseefjordschlei.de

www.haithabu.de  Wikinger Museum Haithabu

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